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BO - Betragsoptimum nach Kessler für
unverzögerte Eingänge (klassisches Betragsoptimum) und
verzögerte Eingänge (Symmetrisches Optimum) |
Die Grundgedanken des Betragsoptimums wurden von C. Kessler bereits
1955 für unverzögert einwirkende Signale ausführlich formuliert und 1958
ebenfalls durch C. Kessler unter der Bezeichnung Symmetrisches Optimum auf
verzögert einwirkende Signale umfassend erweitert. Inspirationsquellen
lieferten dabei grundsätzliche Überlegungen von A. L. Whiteley und ein
nicht verallgemeinertes Beispiel nach R. C. Oldenbourg / H. Sartorius.
Wesentliche Beiträge zur Anwendung wurden später durch R. Schönfeld, D.
Schröder und G. Brandenburg geleistet. Da genau ein Gleichungssystem die
Grundlage aller Berechnungen darstellt, empfiehlt es sich aus heutiger
Sicht die Bezeichnungen Betragsoptimum für unverzögerte Eingangssignale
(herkömmliches Betragsoptimum) und Betragsoptimum für verzögerte
Eingangssignale (Symmetrisches Optimum) zu verwenden.
A - Unter MATLAB steht eine
Toolbox BO mit
m-Files und Demo's als Freeware zur Optimierung von kontinuierlichen
Reglern mit dem Betragsoptimum bereit:
aktuelle >>>Version 1.1<<<
Die Funktionen dieser Toolbox zur Optimierung kontinuierlicher Regler basieren auf der
verallgemeinerten Anwendung der aus den Forderungen des Betragsoptimums
resultierenden Optimierungsgleichungen, d.h es wird weder a priori eine
Polkompensation vorgegeben, noch werden Näherungen oder auf spezielle Streckenstrukturen
zugeschnittene Optimierungsgleichungen verwendet. Folgende
Eigenschaften gelten für das Betragsoptimum allgemein:
- Optimierung für unverzögerte Eingangssignale:
- Grundsätzlich nur für einen Integrator im offenen Kreis möglich
- Liefert lineares Gleichungssystem, Matrizenform sinnvoll -
strukturelle Ähnlichkeit zum Digitalen Betragsoptimum
- Einfachste Fälle sind P- und I-Regler
- Optimierung für verzögerte Eingangssignale:
- Beinhaltet keine Beschränkung der Anzahl der Integratoren im
offenen Kreis - Optimierung für verzögerte Eingangssignale
(Symmetrisches Optimum) ist damit allgemeingültiger als
Optimierung für unverzögerte Eingangssignale (klassisches
Betragsoptimum)
- Ein Vorfilter ist definitiv integraler Bestandteil des
Reglerentwurfs - entgegen zuweilen anders lautender Aussagen
in der Literatur
- Liefert nicht-lineares Gleichungssystem - strukturelle
Ähnlichkeit zum
Digitalen Betragsoptimum; Matrizenform
kann Übersichtlichkeit erhöhen
- Einfachste Fälle sind PI- und PD-Regler mit quadratischem
Gleichungssystem - strukturelle Ähnlichkeit zum
Digitalen Betragsoptimum
- Umformbar in Sonderfall einer RST-Struktur nach
I.D. Landau / G. Zito
(von formellem Interesse, da sich die Weitsicht von C. Kessler
zeigt, reine Zählerpolynome sind aber nur bei digitalen
Regelungen von praktischem Interesse)
B - Historische Bedingungen und Missverständnisse bei der Anwendung des
Betragsoptimums
In der Anfangszeit der Regelungstechnik war eine eher geringe rechentechnische
Unterstützung typisch und Anwendungsbeispiele zur Regelung elektrischer Antriebe
haben später unverständlicherweise eine falsche Einschätzung des Potentials dieser
Optimierungsmethode bewirkt, vergleiche z.B.
J.W. Umland / M. Safiuddin oder
K.J. Åström / T. Hägglund.
Der enge Zusammenhang des Betragsoptimums nach C. Kessler zu den Doppelverhältnissen
(Naslin Polynomial Method) nach P. Naslin, wird z.B. durch
R. Schönfeld hervorgehoben und durch
B. Ufnalski anhand eines instruktiven
Beispiels erläutert.
- Ausgewählte Bedingungen / Werkzeuge in der Anfangszeit
der Regelungstechnik und Folgen davon:
- Bodediagramme (logarithmische Amplituden- und Phasengänge),
Regler in multiplikativer Darstellung (Zeitkonstanten <==>
Nullstellen, Pole), einfache analytische Optimierungsgleichungen,
Nomogramme, Näherungen für Regelstrecken
- Bodediagramme und Regler in multiplikativer Darstellung erfordern Zeitkonstanten, also reelle
numerische Ergebnisse; Bodediagramme, einfache Gleichungen und
Nomogramme profitieren von Polkompensation; Näherungen bedingen
Gültigkeitsbereiche
- Einige der nicht haltbaren Gegenargumente / Missverständnisse, z.B.
ausführlich diskutiert von K.G. Papadopoulos:
- Polkompensation ist nur eine mögliche Option (und auch nur bei
unverzögerten Eingängen), keineswegs aber eine Bedingung des
Betragsoptimums
- Forderung nach nicht mehr als einem Integrator im offenen Kreis
gilt nur bei Optimierung für unverzögerte Eingänge
- Optimierung auf unverzögerte Eingänge kann kein
optimales Verhalten bei Störungen am Eingang der Strecke bewirken
- Optimierung für verzögerte Eingänge beinhaltet per Definition
die Vorgabe eines Vorfilters beim Entwurf
- Das Betragsoptimum schließt a priori weder kompliziertere
Strecken noch Regler aus
C - Ausnutzung der potentiellen Möglichkeiten des Betragsoptimums
durch die BO Toolbox
In neuerer Zeit ist wieder ein steigendes Interesse am Betragsoptimum zu
verzeichnen und verschiedene Autoren haben verallgemeinerte Ergebnisse
veröffentlicht. Die der vorliegenden BO Toolbox zu
Grunde liegenden Gleichungen vermeiden die dabei noch verbliebenen
Einschränkungen, eine Veröffentlichung befindet sich in Vorbereitung.
- Das Optimierungsgleichungssystem
- Die Berücksichtigung mehrerer Integratoren beim
Entwurf für verzögerte Eingänge ist ohne Näherungen bei der
Anwendung des Gleichungssystems zur Optimierung, d.h. ohne
Nullsetzen einer Seite, möglich, ebenso können bei unverzögerten
Eingängen wahlweise auch Regler höherer Ordnung oder bei
verzögerten Eingängen Regler bei nur einem Integrator im offenen
Kreis entworfen werden - alles im Unterschied zu
K.G. Papadopoulos. Hier zeigt sich die
Schwachstelle der Typ-Einteilung nach K.G. Papadopoulos, da tatsächlich
zwei Typ I Optimierungen möglich sind, K.G. Papadopoulos aber nur die
Optimierung für unverzögerte Eingänge behandelt.
- Bei Bedarf ist der Entwurf von Reglern höherer Ordnung,
d.h. Wichtung höherer Ableitungen, sowohl für unverzögerte
Eingänge, als auch für verzögerte Eingänge und jeweils
ohne Notwendigkeit der Berechnung von charakteristischen
Flächen möglich. Der Wichtungsfaktor für die Potenz Null der
Laplace-Variablen im Nennerpolynom der Regelstrecke wird
zweckmäßigerweise nicht mit "1" festgelegt - alles im
Unterschied zu D. Vrancic.
- Das Betragsoptimum bei Einsatz von PI-Reglern wurde durch
J. Cvejn ausführlich untersucht
und festgestellt, dass das "... criterion
usually results in very good control quality and can be applied directly
for high-order linear models with dead time, without need of any model
reduction" und dass obwohl "... the stability
margin requirements are not explicitly included in the design objective
... proper open-loop behavior in the middle and high frequency ranges
... is ensured automatically ..." unter bestimmten Umständen.
- Ausgewählte eingeschlossene Besonderheiten
- Komplexe Reglernullstellen durch additive Darstellung des
Reglers (Verstärkung, Nachstellzeit, Vorhaltezeiten)
- Nicht-minimalphasige Strecken, komplexe Pole, Mehrfachpole etc.
durch Polynomdarstellung
- Schwingungsglieder, wahlweise Totzeit, auch mit PID-Reglern -
im Unterschied zu J. Cvejn
mit Untersuchungen zu PI-Reglern
- Wahlweise integrierte Näherung von Totzeiten mittels Strejc,
Pade oder Polynomial
- Wahlweise Einbeziehung der Glättungszeitkonstante für Regler
D-Anteile in den Entwurf
- Wahlweise Optimierung des Vorfilters zur Reduzierung der
Überschwingweite