Dr. Zeuner :Das Lehrmaterial "Einführung in die Landeskundedidaktik" - Von der Broschüre zum hybriden Lernarrangement

3.5. Merkmale und Funktionen der gewählten Medien und Hilfsmittel

Hier werden zunächst einige theoretische Funktionen und Merkmale multimedialer Lernumgebungen(3) vorgestellt, um zu begründen, warum in dem entwickelten Material eine Lösungsmöglichkeit des genannten didaktischen Problems gesehen wird. Im folgenden Abschnitt 4 soll das Material selbst kurz beschrieben und in die Konzeption eines ab Wintersemester 2001 geplanten hybriden Lernarrangements(4) gestellt werden.

Mit Aufenanger sollen im folgenden unter dem Begriff Neue Medien jene digitalen Medien verstanden werden,

" ... die Multimedialität - also die Integration unterschiedlicher Medien in einer computergestützten Präsentation -, Hypertextstruktur - also einen nicht-lineraren Text -, Interaktivität und Simulation ermöglichen, wobei ich die Unterscheidung zwischen computer- oder netzbasierten Anwendungen für nicht so relevant halte." (Aufenanger 1998)

Mediale Lernumgebungen, die in einer Hypertextstruktur unterschiedliche Medien in einer computergestützten Präsentation integrieren, können einen offenen Interaktionsraum für die Lernenden darstellen, in dem Lernwege aus der Logik des Gegenstandes heraus selbst gefunden werden oder sie können Lernwege sequenziell vorgeben. Entscheidungskriterien für die Strukturierung des Interaktionsraumes der Lernumgebung sind nach Kerres (2001, 314):

  Sequenzielle Lernwege Offener Interaktionsraum
(logisch strukturiert)
(1) Lehrstoff hierarchisch gegliedert flach gegliedert
(2) Lernsituation formell informell
(3) Zielgruppe homogen inhomogen, dispers
(4) Lernstil unselbständig selbständig
(5) Motivation extrinsisch intrinsisch
(6) Vorwissen niedrig hoch

Die weiter oben dargestellten Merkmale der Zielgruppe und der Lerninhalte, die formelle Lernsituation (Universität, Pflichtveranstaltung, begleitendes Seminar) und das niedrige bzw. nicht vorhandene Vorwissen der Studierenden (Einführung in ein Fachgebiet) erfordern demzufolge eine Lernumgebung, die sequenzielle Lernwege ermöglicht.

Didaktischen Funktionen solcher multimedialer Lernumgebungen sind nach Kerres 1999:

  1. Lernmotivierende Funktion
  2. Wissen(re)präsentation: Darstellende Funktion
  3. Wissen(re)präsentation: Organisierende Funktion
  4. Steuerung und Regelung von Lernprozessen
  5. Werkzeug zur Unterstützung der Wissenskonstruktion
  6. Werkzeug zur Unterstützung interpersoneller Kommunikation

Die lernmotivierende Funktion spielt im hier vorgestellten Fall sicher nur eine temporäre Rolle, da die Gefahr besteht, dass sie mit Abnahme des Neuigkeitswertes des technischen Mediums schnell abnimmt. Es könnte sogar der Fall eintreten, dass bei der gegebenen Zielgruppe computertechnisch eher unerfahrene oder weniger begeisterte Lernende (z.B. Lehrer in der berufsbegleitenden Weiterbildung) zunächst demotiviert werden.

Auch die Werkzeugfunktion zur Unterstützung interpersoneller Kommunikation ist zunächst nicht so wichtig, da die Arbeit mit dem technischen Medium im hybriden Lernarrangement durch ein begleitendes Seminar ergänzt wird, wodurch Kommunikation zwischen den Lernenden und zwischen Lernern und Lehrkraft ermöglicht wird. Trotzdem wäre wünschenswert, dass bei einer Weiterentwicklung der Software "Studierplatz Sprachen" an eine Möglichkeit für interpersonelle Kommunikation innerhalb des durch die Software ermöglichten Lernarrangements gedacht wird (z.B. durch Chat oder die Möglichkeit der Einrichtung einer E-Mail-Diskussionsgruppe). Eine solche Möglichkeit würde es u.U. ermöglichen, für die berufsbegleitende Weiterbildung auf regelmäßige begleitende Seminare zu verzichten - die Anwesenheit an der Universität könnte sich dann auf wenige Termine beschränken, an denen grundsätzliche Probleme geklärt bzw. das erworbene Wissen evaluiert werden können.

Alle anderen Funktionen - die wissensdarstellende und wissensorganisierende Funktion, die Werkzeugfunktion zur Steuerung und Regelung von Lernprozessen sowie die Unterstützung der Wissenskonstruktion - werden durch multimediale Lernarrangements ermöglicht, die durch die Software "Studierplatz Sprachen" eingerichtet (kompiliert) werden:

  • Sie ermöglicht die für die Lerngruppe und Lernsituation notwendige sequenzielle und hierarchische Darstellung entsprechend aufbereiteter Lerninhalte in Texten, Bildern, Audio- und Videodateien, eingebundenen Simulationen - also eine multimediale Wissensdarstellung und Wissensorganisation:
Beispiel 1
  • Sie ermöglicht die Einbindung von Aufgaben unterschiedlichen Typs mit Hilfe eines Aufgabeneditors. Dabei sind gebundene Antwortformate (derzeit 3 Muliple Choice-Formate und ein Verifikationsformat) und offene Antwortformate möglich, bei denen bei der Bearbeitung die Lösung als Text eingegeben wird. Momentan gibt es ein Format für längere Text, die aber nicht auf Korrektheit geprüft werden können und ein Format für kurze Texte, die mit einer Synonymliste verglichen werden können. Bei den gebundenen Antwortformaten können die Lernenden ihre Antworten überprüfen und so selbstständig ihren Lernfortschritt feststellen. Die offenen Antwortformate ermöglichen die Angabe einer Beispiellösung , die dann im begleitenden Seminar zu diskutieren wäre. Auf diese Weise wird das multimediale Lernarrangement zum Werkzeug für die Steuerung und Regelung von Lernprozessen:
Beispiel 1
Beispiel 1
  • Der Lernende erhält die Möglichkeit, innerhalb der Texte Hervorhebungen vorzunehmen und Anmerkungen und Notizen zu machen. Sein Lernweg wird protokolliert, so dass er jederzeit überprüfen kann, was er schon durchgearbeitet hat und was noch zu bearbeiten bleibt. Diese individuellen Hervorhebungen, Anmerkungen und protokollierten Lernwege können jederzeit gespeichert und wieder geladen werden, so dass jeder Lernende seine personalisierte Fassung des multimedialen Lernarrangements immer wieder bearbeiten kann. Damit wird das Material zum Werkzeug zur Unterstützung der Wissenskonstruktion beim Lernenden:
Beispiel 1

Aus diesen Gründen wurde entschieden, die Software "Studierplatz Sprachen" einzusetzen, um die Broschüre zur Lehrveranstaltung "Einführung in die Landeskundedidaktik" als multimediale Lernumgebung aufzubereiten.

Die lernfördernden Wirkungsfähigkeiten solcher Lernumgebungen entfalten sich jedoch nicht von selbst, wie Tergan die Ergebnisse der Forschungen zum Thema ‚Lernen mit Hypermedia' zusammenfasst:

"Sie können nur unter bestimmten kognitiven, motivationalen und situativen Bedingungen auf Seiten der Lernenden von diesen selber erschlossen werden. Lernen kann jeweils nur bedingt durch Mittel der Gestaltung von Lernumgebungen angeregt, unterstützt und aufrechterhalten werden" (Tergan 1997, S.246)"

Dazu kommt, dass die stofflichen Inhalte der Lehrveranstaltung in großen Teilen sehr komplex sind, die offenen Antwortformate der Lernumgebung vom Programm nicht auf Korrektheit überprüft werden können und die zu erreichenden intellektuellen Fertigkeit und kognitiven Strategien neben dem Selbststudium auch Kommunikation zwischen Lernern untereinander und zwischen Lerner und Lehrer erfordern. Aus diesen Gründen kann die mediale Lernumgebung ihr Potential nur innerhalb eines bestimmten Lernumfeldes entfalten, muss also in ein hybrides Lernarrangement eingebettet werden. Dieses soll im nächsten Abschnitt kurz beschrieben werden.


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