Dr. Zeuner :Das Lehrmaterial "Einführung in die Landeskundedidaktik" - Von der Broschüre zum hybriden Lernarrangement

3.3. Didaktische Transformation und Strukturierung der Lernangebote

Die Lehrveranstaltung "Einführung in die Landeskundedidaktik" war seit Einführung des Studiengangs "Magister DaF" an der TU Dresden 1992 als Einführungsvorlesung konzipiert. Dabei sammelte sich einerseits immer mehr Material beim Autor dieses Beitrages, der die Vorlesung hält, an. Dieses Material enthielt wichtige Lerninhalte, war aber aufgrund der oben skizzierten Bibliothekssituation den Studierenden nicht oder nur sehr schwer zugänglich, so dass ein Nacharbeiten der Vorlesungsmitschrift schwierig bis unmöglich war.

Andererseits erforderte auch die oben skizzierte Situation und Heterogenität der Zielgruppe Überlegungen zur Verbesserung des Lernangebots. Eine Zusammenfassung und Aufarbeitung des vorhandenen Grundlagenmaterials in Form einer vorlesungsbegleitenden Broschüre hätte folgende Vorteile:

  • Während der Vorlesung könnten die Studierenden sich auf das Mitdenken konzentrieren, da nicht mehr alles mitgeschrieben werden muss.
  • Der Vorlesende könnte in vielen Fällen auf das Material verweisen und hätte Zeit, in der Vorlesung Beispiele, Erweiterungen und Ergänzungen hinzuzufügen, die häufig stark theoretischen Inhalte veranschaulichen würden.
  • Die desolate Literatursituation zum Fach in der Bibliothek könnte ausgeglichen werden, indem die Studierenden die Vorlesung mit Hilfe der Broschüre vor- bzw. nachbereiten könnten. Da nämlich nur ein geringer Teil der Studierenden diese Lehrveranstaltung aus Interesse am Fachgebiet besucht (die Motivation also überwiegend extrinsisch ist), würde sich ohne ein einfach zugängliches Lernmaterial nur ein geringer Teil der Hörer den Mühen der Literaturbeschaffung zur Nacharbeitung unter den oben dargestellten Umständen unterziehen.
  • Die unterschiedlichen Lernerfahrungen und Lerngewohnheiten könnten ebenfalls Berücksichtigung finden: Ein Lernmaterial, das die stofflichen Schwerpunkte gegliedert und kommentiert zur Verfügung stellt und dabei auch Problembereiche skizziert, ermöglicht sowohl Auswendiglernern als auch kritischen Hinterfragern eine Beschäftigung bzw. Auseinandersetzung mit den fachlichen Inhalten.
  • Praktikern in der Weiterbildung würde durch eine begleitende Broschüre der neue Einstieg ins universitäre Lernen erleichtert werden.
  • Schließlich wäre ein solches Lernmaterial eine wichtige Hilfe für ausländische Studierende des Faches, denen es besonders zu Beginn des Studiums noch schwer fällt, einer Vorlesung zu folgen und alles Wesentliche mitzuschreiben. Besonders sie hätten dadurch einen Leitfaden, der Ihnen die ersten Schritte im Lehrgebiet erleichtern könnte

Aus diesen Überlegungen heraus entstand eine vorlesungsbegleitende Broschüre, die die oben dargestellten fachlichen Inhalte zusammenfasst und nochmals gegliedert kommentierend und teilweise problematisierend darstellt, so dass für die Lernenden Schwerpunkte zu erkennen sind und beim Bearbeiten den Lernzielen entsprechend auch eine Problemsicht entstehen kann. Diese zusammenfassende Auswahl sowie kommentierende und problematisierende Darstellungsweise war dem Autor besonders wichtig und unterscheidet das Material von einfachen "Readern", die einfach Kopien von Fachartikeln zusammenstellen. Im Februar 1999 wurde das Lernmaterial nochmals überarbeitet, durch neue Erkenntnisse aus der Fachliteratur ergänzt und um das Kapitel 9 "Internet und Landeskunde" erweitert. Das Inhaltsverzeichnis dieser überarbeiteten Broschüre vom Februar 1999 kann einen ersten Eindruck vom Lernmaterial vermitteln:

Inhaltsverzeichnis der Broschüre "Landeskunde und interkulturelles Lernen. Eine Einführung". Letzte Fassung vom Februar 1999:
1. Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht - was ist das eigentlich? Zum Begriff und wichtigen didaktischen Konzepten von Landeskunde
1.1. Einführung
1.2. Rahmenbedingungen und wichtige didaktische Konzepte von Landeskunde im fremdsprachlichen Deutschunterricht
1.2.1. Kognitiver Ansatz
1.2.2. Kommunikativer Ansatz
1.2.3. Interkultureller Ansatz
2. Kognitive Landeskunde - interkulturelle Landeskunde: Eine Gegenüberstellung
2.1. DDR - Landeskunde als Beispiel für eine kognitive Landeskunde
2.2. Interkulturelle Landeskunde
2.2.1. Rahmenkonzept einer lernerorientierten Landeskundedidaktik
2.2.2. Beispiele für die enge Verbindung von Sprache und Kultur und für das Erleben von Fremdheit
2.2.3. Wichtige Begriffe
2.2.3.1. Kulturbegriff
2.2.3.2. Zwei Forschungsansätze für vergleichende Kulturbetrachtung
2.2.3.2.1. Zwiebeldiagramm und 4-Dimensionen-Modell (Geert Hofstede)
2.2.3.2.2. Modell der Kulturen (E.T. Hall/M.R. Hall)
2.2.3.3. Interkulturelles Lernen
2.2.3.4. D-A-CH-(L)
3. Lehr- und Lernziele für interkulturelles Lernen
3.1. Übergeordnetes Lernziel: Interkulturelle Kompetenz
3.2. Lernzielvorschläge für nachgeordnete Lernziele
3.3. Lehrerqualifikationen für interkulturellen Fremdsprachenunterricht
4. Landeskundliche Stoffauswahl
4.1. Grundsätzliche Überlegungen zur Stoffauswahl
4.2. Selektionskriterien für landeskundliches Wissen nach Schmidt
4.3. Vorschlag für eine lernerorientierte Stoffauswahl unter interkultureller Sicht
4.4. Landeskunde als Netzwerk
5. Methoden landeskundlicher Arbeit im fremdsprachlichen Deutschunterricht
5.1. Allgemeine Grundsätze und Überlegungen
5.2. Zugang über die Sprache: Hinterfragen von Bedeutung, Metakommunikation, Kommunikative Absicht und sprachliche Realisierung
a) Hinterfragen von Bedeutung
b) Metakommunikation
c) Kommunikative Absicht und sprachliche Realisierung
5.3. Zugang über die Menschen und ihr Handeln: Handlungsorientierter Unterricht/ Projekt-arbeit/ Themenorientierter Unterricht
a) Nutzung von Formen und Methoden handlungsorientierten Unterrichts
b) Projektorientierter Unterricht
c) Themenorientierter Unterricht
5.4. Zugang über exemplarische Manifestationen: Arbeit mit Texten und Bildern
5.5. Weitere zugangsübergreifende Methoden: Arbeit mit Stereotypen; Vergleich als Methode für interkulturelles Lernen
a) Arbeit mit Stereotypen
b) Vergleich als Methode für interkulturelles Lernen
6. Evaluation
7. Literatur und Landeskunde
7.1. Literarische Texte in einem kognitiven Landeskundemodell (DDR-Landeskunde)
7.2. Literatur in einer lernerorientierten, interkulturellen Landeskunde
7.2.1. Argumente für den literarischen Text
7.2.2. Kriterien zur Textauswahl
7.2.3. Methodische Wege
7.3. Beispiel
8. Landeskunde in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache - landeskundliche Materialien (Dossiers)
8.1. Landeskundliche Inhalte in den Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache - Kriterien zur Beurteilung
8.2. Beispiele für interkulturelle Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache
8.3. Ergänzende Materialsammlungen - Dossiers
9. Internet und Landeskunde/interkulturelles Lernen
9.1. Merkmale des Internets als neues Medium für landeskundliches Lernen
9.2. Medienkompetenz
9.3. Internet und landeskundliches/interkulturelles Lernen
9.4. Bevorzugte Methode: Projektarbeit
10. Literatur
11. Abbildungsverzeichnis:
12. Index

Es mag eingewendet werden, dass durch diese Broschüre zu wenig Originalliteratur - eben die in "Readern" kopierten Fachartikel - gelesen würde. Dieser Einwand lässt sich zum einen durch die bekannte Tatsache entkräften, dass zu einer Didaktisierung nicht nur die Stoffaus-wahl, sondern auch die Schwerpunktsetzung und Vereinfachung gehört, was besonders für eine Einführungsveranstaltung ins Fach wichtig ist, die einen ersten Überblick und Einstieg bieten soll. Zum anderen wird spätestens in der Vorbereitung auf die Zwischenprüfung nach dem vierten Semester auch das Literaturverzeichnis benutzt und die eine oder andere Originalquelle studiert. Und schließlich bieten die anschließenden, oben skizzierten Seminarangebote nach dem Einführungskurs Gelegenheit, Originalliteratur zu studieren, die sicher besser verstanden und eingeordnet wird, wenn durch den Einführungskurs eine gewisse fachliche und begriffliche Struktur in die Köpfe der Studenten gelangt ist.

Trotz der Broschüre und trotz des Versuches, die Studierenden in der Vorlesung zum Mitdenken zu bewegen, verdichteten sich in den letzten Jahren die Hinweise darauf, dass in einer Vorlesung - und sei sie auch durch ein Lernmaterial ergänzt - nicht alle für diesen Einführungskurs relevanten Lehrziele zu erreichen sind. Besonders die Ziele im Bereich der intellektuellen Fertigkeiten und kognitiven Strategien, aber auch affektive Lehrziele sind nur bei Studierenden zu erreichen, die sich der Mühe des Mitdenkens während der Vorlesung unterziehen, die Angebote des Vortragenden zur Problematisierung und zum Nachdenken annehmen und die die Vorlesungsinhalte regelmäßig nacharbeiten. Das ist jedoch bei der Mehrheit der Hörer, die die Vorlesung als Pflichtveranstaltung mit Klausur belegen, nicht zu erwarten. Hier herrscht eher der Anspruch vor: Unterhalt uns ein bisschen und gib uns möglichst viele Fakten, die wir auswendig lernen können, um die Klausur zu bestehen. Diese Situation soll im nächsten Kapitel weiter problematisiert werden.


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