Dr. Zeuner :Das Lehrmaterial "Einführung in die Landeskundedidaktik" - Von der Broschüre zum hybriden Lernarrangement

3. Lehrveranstaltung "Einführung in die Landeskundedidaktik"

Die Lehrveranstaltung "Einführung in die Landeskundedidaktik" wird seit einigen Jahren traditionell als Vorlesung angeboten, die zu Beginn des Studiums in das Fachgebiet einführen soll und mit einem vertiefenden Seminar I ergänzt wird.

Zur Darstellung der Konzeption dieser Lehrveranstaltung werden im folgenden die Faktoren charakterisiert, "die grundsätzlich bei der didaktischen Planung zu berücksichtigen sind:

  • Merkmale der Zielgruppe
  • Spezifikation von Lehrinhalten und -zielen
  • didaktische Methode: didaktische Transformation und Strukturierung der Lernangebote
  • Merkmale der Lernsituation und Spezifikation der Lernorganisation
  • Merkmale und Funktionen der gewählten Medien und Hilfsmittel." (Kerres 1999, 10)

Die Charakterisierung dieser Faktoren wird zu einer Problematisierung der Tatsache führen, dass die Lehrveranstaltung als traditionelle Vorlesung angeboten wird. Aus dem sich daraus ergebenden Bildungsproblem soll im weiteren die Überarbeitung des zur Vorlesung gehörenden Studienmaterials zur multimedialen Lernumgebung begründet werden.

3.1. Merkmale der Zielgruppe

Zur Charakterisierung der Zielgruppe können laut Kerres (1999, 11) folgende Merkmale herangezogen werden:

  • Soziodemographische Daten
  • Vorwissen
  • Motivation
  • Lerngewohnheiten
  • Lerndauer
  • Einstellungen und Erfahrungen
  • Lernorte und Medienzugang

Die Einführungsveranstaltung wird von sehr verschiedenen Studierenden besucht:

  • Deutsche und ausländische Magisterstudenten im Haupt- und Nebenfach im ersten oder zweiten Semester
  • Lehramtsstudenten, die DaZ als Erweiterungsstudiengang studieren (in der Regel nach dem Grundstudium)
  • Lehrer, die eine nebenberufliche DaZ-Weiterbildung absolvieren
  • Ausländische Studierende von German Studies, die in der Regel ein Grundstudium im Heimatland absolviert haben.

Dabei ist ein wechselndes Verhältnis von deutschen und ausländischen Studierenden zu beobachten, wie die folgende Übersicht über die Zusammensetzung der eingeschriebenen Hörer der letzten drei Vorlesungen zeigt:

Semester deutsche Studierende deutsche Studierende % ausländische Studierende ausländische Studierende % Gesamtzahl Studierende
WS 1999 86 80,37 % 21 19,63 % 107
SS 2000 37 57,81 % 27 42,19 % 64
WS 2000 82 67,77 % 39 32,23 % 121

Trotz dieser Heterogenität der Studierenden kann davon ausgegangen werden, dass das fachliche Vorwissen in Bezug auf moderne Fragestellungen der Landeskundedidaktik bei allen nicht vorhanden ist, da alle Teilnehmenden erst beginnen, Deutsch als Fremd/Zweitsprache zu studieren und demzufolge in den Teilbereich Landeskunde eingeführt werden müssen.
Bei den ausländischen Studierenden ist zudem zu beobachten, dass das sprachliche Vorwissen bzw. die Fähigkeit, an deutscher Fachkommunikation rezeptiv (und produktiv) teilzunehmen, sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Eine bestandene DSH-Prüfung allein ist durchaus nicht bei allen Studierenden eine Garantie dafür, dass sie beispielsweise einer Vorlesung im ersten Semester mit einem Lerngewinn folgen können.

Die Heterogenität der Studierenden bedingt auch unterschiedliche Motivationen und Lerngewohnheiten. Aus der Erfahrung der letzten Jahre heraus kann jedoch gesagt werden, dass bei den meisten Studierenden, die die Lehrveranstaltung belegen, eine extrinsische Motivation überwiegt, d.h. die meisten lernen, weil die Lehrveranstaltung Pflicht und deshalb eine Klausur zu bestehen ist. Nur ein geringerer Teil setzt sich von Anfang an aus Interesse an der Sache mit dem Lerngegenstand auseinander. Die Lernerfahrungen und Lerngewohnheiten sind demgegenüber sehr unterschiedlich, bedingt durch das unterschiedliche Alter und die unterschiedliche kulturelle Herkunft der Studierenden:

  • Für die Lernkultur, die deutsche Studierende in ihrer Schulzeit erfahren haben, kann sicher das gleiche konstatiert werden, was Werner Lenz für Österreich beschreibt: "Die pluralistische Leistungsgesellschaft verlangt Fachleute nicht Humanisten. Die Schule folgt dem gesellschaftlichen Bedarf und vermittelt Wissen nicht Weltanschau-ung, Haltung oder Orientierung. ... Es entsteht eine Lernkultur, die darauf zielt, Lehrstoff zu verarbeiten. Problemsicht, kritische Auseinandersetzung oder Befähigung zum eigenständigen Denken wird in Schulen und Universitäten übergangen. Die Meßlatte der fünfteiligen Notenskala behindert selbstbewußte Denkwege." (Lenz 2001)
  • Die Lernerfahrungen der Lehrerinnen, die die Einführung in die Landeskundedidaktik als Pflichtveranstaltung für ihre DaZ-Weiterbildung belegen, liegen in vielen Fällen schon einige Jahre zurück, wodurch das Neu-Lernen zunächst nicht erleichtert wird. Andererseits hilft die zum Teil längere Berufserfahrung, theoretische Aspekte in praktische Umsetzungen einzuordnen und Wesentliches schneller von Unwesentlichem zu unterscheiden.
  • Die ausländischen Studierenden wiederum bringen aufgrund unterschiedlicher kultureller Traditionen sehr unterschiedliche Lerngewohnheiten mit nach Deutschland: Für die einen heißt Lernen vor allem Auswendiglernen von Vorgegebenen, andere sind es weit besser als die deutschen Studierenden gewöhnt, Vorgegebenes zu hinterfragen, sich kritisch mit Gegebenem auseinander zu setzen und eine Problemsicht zu entwickeln.

Unterschiede in der Lerndauer sind bedingt durch die verschiedenen Semester, in denen die Studierenden die Einführungsveranstaltung belegen. Die Magisterstudenten müssen im ersten, spätestens im zweiten Semester diese Einführungsveranstaltung besuchen, haben also noch keine oder wenig Erfahrung mit universitärem Lernen. Lehramts- und German-Studies-Studierende belegen den Einführungskurs normalerweise nach dem Grundstudium in anderen Fächern, d.h. sie haben bereits mindestens 4 Semester studiert. Die Lehrer in der DaZ-Weiterbildung wiederum haben in den meisten Fällen in den letzten Jahren eher praktische Lehr- als Lernerfahrung sammeln können.

Auch die Einstellungen zum Lerngegenstand und die Erfahrungen der Studierenden sind höchst unterschiedlich. Nach mehrjähriger Beobachtung scheint die Studienfachwahl im geisteswissenschaftlichen Bereich bei einer ganzen Reihe von Studierenden eher nicht dadurch geprägt zu sein, dass sie großes Interesse für das Fach haben - sie studieren zunächst einmal DaF, weil ihnen nichts besseres einfällt, als Übergangslösung oder um irgendetwas zu machen. Solche Studierenden haben sicher eine eher abwartende bis uninteressierte Einstellung zum Fach - ganz im Unterschied zu den meisten ausländischen Studierenden, die extra für ein DaF- oder German-Studies-Studium nach Deutschland gekommen sind. Auch ein Lehrer, der mit einer DaZ-Weiterbildung hofft, seinen Arbeitsplatz sicherer machen zu können, hat eine andere Einstellung zum Lerngegenstand, als ein Studierender, der gar nicht weiß, warum er überhaupt gerade dieses Fach studiert - und der Lehrer kann aufgrund seiner praktischen Erfahrungen Theorie u.U. besser verstehen und einordnen als der Studierende, der sich fragt, warum er eigentlich dieses "ganze theoretische Zeug" lernen soll.

Lernorte und Medienzugang als letzte Charakterisierungsmerkmale sind dagegen für alle Studierenden gleich: Präsensveranstaltungen im Hörsaal bzw. Seminarräumen, die zumindest in den nach 1990 gebauten Lehrgebäuden auch medientechnisch gut ausgerüstet sind. Selbststudium in der Bibliothek oder zu Hause, wobei die Möglichkeit der Bibliotheksnutzung eher kritisch zu sehen ist. Die geistes- und sozialwissenschaftlichen Bestände befinden sich seit ca. 1991 im Aufbau (vorher war die TU wirklich eine reine technische Universität) und in 10 Jahren kann keine Vollständigkeit in diesen Bereichen erwartet werden. Zudem befindet sich die Bibliothek bis zu Fertigstellung des Neubaus 2002 in einem Provisorium, in dem es nicht immer leicht fällt, das Buch, was man gerade braucht, auch zu finden - zumal viele Bücher nur in einem Exemplar vorhanden sind. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass Studierende wichtige Literatur zur Vorlesung in der Bibliothek tatsächlich immer vorfinden. Computerpools hingegen sind vorhanden (wenn auch nicht immer ohne Wartezeit zu nutzen), die meisten Studierenden nutzen jedoch auch zu Hause einen Computer, jeder Student erhält ein Login auf dem Universitätsserver und die meisten Studentenwohnheime besitzen zudem einen kostengünstigen Internetzugang.


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