Beispiel zu Kapitel 2.2.3.2.3.:
Umgang mit Zeit

Beispiele für den Umgang mit Zeit

1. Beispiel - Deutschland:

Haben Sie Ihre Zeitplanung im Griff?

Zeit ist ein wertvolles, begrenztes Gut geworden. Wir wollen möglichst jede Minute nutzen, sie in den Griff bekommen, ausschöpfen, keine Sekunde vertun.

"Verschwendete Zeit ist Dasein. Gebrauchte Zeit ist Leben." Gedanken wie die des englischen Dichters Edward Young mögen die Grundlage für Wissenschaftler wie Lothar J. Seiwert oder Claus Gaedemann gewesen sein, zu erforschen, wie wir alle unsere Zeit besser nutzen können. Diejenigen, die von diesen Erkenntnissen für Ihr eigenes Zeitmanagement profitieren möchten, müssen sich diese Gedanken erst einmal aneignen und auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden. Vor diesem Aufwand mag so mancher zurückschrecken und mit John Steinbeck denken: "Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will."

Auch bei der Lektüre von Zeitratgebern gilt deshalb, möglichst effektiv das zu nutzen, was individuell wichtig und richtig ist. Tests und Checklisten bieten jedem die Möglichkeit, das bisherige Verhalten schnell zu analysieren und Fehlerquellen zu erkennen.

Wer ganz genau wissen will, wo sich die eigenen Zeitdiebe versteckt halten, sollte sich dem geva-Test "Zeitmanagement" unterziehen. Er kostet 89 Mark. Alle Teilnehmer werden anhand der beruflichen Kennzahlen - wie etwa dem Ausbildungsabschluss, der aktuellen Position, der Branche - einer passenden Vergleichsgruppe zugeordnet, Faktoren wie die Arbeitsbelastung, Zeitplanung, Stressbewältigung und Lebensqualität werden bewertet.

Mit der Auswertung bekommen die Testpersonen einen persönlichen Maßnahmenplan, mit dem sie ihr Zeit- und Selbstmanagement Schritt für Schritt verbessern können.

(Quelle: http://focus.de/D/DB/DBX/DBX35/dbx35.htm)


2. Beispiel - Afrika:

In Niamey [Hauptstadt von Niger] beginnt in den Büros der Ministerien die Arbeit um halb acht Uhr. Ich gehe um acht Uhr hin, aber der Beamte, mit dem ich verabredet bin, ist noch nicht da. Das ist sehr ärgerlich, und ich frage eine Bürodame um Auskunft. Wir hätten doch ein Rendezvous für acht Uhr abgemacht.

Sie klappt gelassen ihr Modejournal zu, legt ihre Arme breit über die Riesenschreibmaschine, in der um acht Uhr noch kein Blatt eingespannt ist, und erklärt schlicht: "Il n'est pas encore arrivé!" Er ist einfach noch nicht da, du siehst es ja, wozu die dumme Fragerei. Da gibt es doch keinen Grund, sich aufzuregen! Er ist noch nicht da, aber er wird kommen. C'est tout!

Quelle: Gardi, René: Weisheiten und Narrheiten : allerlei aus meinen Afrika-Tagebüchern. Bern : Benteli, 1975, S. 58f


3. Beispiel - Im Takt der Kulturen

In weiten Teilen der Welt lebt man auch heute nicht nach der Uhr. Tatsächlich werden in vielen Kulturen die wichtigsten Ereignisse noch von den Uhren der Natur bestimmt: der Zeit zum Säen und Pflanzen, vom Rhythmus des Viehtriebs etc. Das soziale Leben wird noch oft von Ereignissen bestimmt. Es herrscht ein Zeitverständnis, wonach Ereignisse nach einem unausgesprochenen Konsens beginnen und enden. Natürlich spielen auch in diesen Kulturen Uhr- und Kalenderstandards der internationalen Wirtschaft eine Rolle, aber eben nicht die dominierende. In Mexiko zum Beispiel ist der Ausdruck dar le tiempo al tiempo, »der Zeit Zeit geben«, sprichwörtlich zu verstehen. In anderen Worten: nicht sämtliche Zeit soll verplant werden, es soll noch Raum bleiben für Spontaneität und für das Unvorhergesehene. In Afrika beruft man sich darauf, daß »selbst die Zeit Zeit braucht«. Aus Trinidad kommt das Sprichwort »Jegliche Zeit ist Trinidad-Zeit«. In Brunei wachen Menschen morgens mit der Frage auf: »Was wird heute nicht geschehen?«

Viele Menschen ziehen eher Ereignisse des Alltags oder soziale Aktivitäten heran, um Zeit festzulegen, anstatt sich von der Zeit bestimmen zu lassen. So bekommt man in Madagaskar auf die Frage, wie lange etwas dauert, eine Antwort wie »die Zeit, die man zum Reiskochen braucht« (etwa eine halbe Stunde) oder »solange es dauert, eine Heuschrecke zu braten« (einen kurzen Augenblick). Von Eingeborenen am Cross-River in Nigeria ist der Ausspruch überliefert: »Der Mann starb in weniger als der Zeit, die man braucht, um Mais anzurösten« (weniger als eine Viertelstunde). Und näher daheim führte vor nicht allzu langer Zeit das »New English Dictionary« den Ausdruck pissing while – vielleicht keine sehr präzise Zeiteinheit, aber immerhin eine mit kulturübergreifender Verständlichkeit. Einige Völker verfügen noch nicht einmal über ein einheitliches Wort für »Zeit«. Die Kachin etwa, ein Volk in Nordmyanmar (ehemals Burma), verwenden das Wort akying, um die Uhrzeit zu benennen. Das Wort na bezeichnet eine lange Zeitspanne, tawng eine kurze. Ta heißt Frühling, und asak bezieht sich auf die Lebenszeit eines Menschen. Ein Kachin würde diese Worte nie synonym verstehen. Während in der westlichen Welt die meisten Menschen Zeit als objektive Begebenheit ansehen, benutzen die Kachin ihre Begriffe eher als Adverbien. Zeit ist für die Kachin ohne greifbare Realität.

Quelle: Robert Levine: ZEIT – IM TAKT DER KULTUREN. Im Internet am 22.02.2002 unter http://www.ifa.de/z/98-3/dzlevin.htm